Kurt Klein, Astor, Denkmal

Emigration nach Amerika

Seine Eltern schicken Kurt zu seiner Sicherheit 1937 in die USA, seine Schwester ist bereits seit einem Jahr dort, der Bruder folgt 1938. Den Eltern Ludwig und Alice Klein gelingt die Ausreise nicht mehr, trotz aller Unterstützungsversuche der Kinder. Sie werden am 22. Oktober 1940 mit Tausenden anderen badischen und pfälzischen Juden nach Gurs deportiert und später in Auschwitz von den Nazis ermordet. Bewegende Briefe der Eltern aus diesen Jahren sind überliefert. In Walldorf wurden 2010 zum Gedenken an Ludwig und Alice Klein Stolpersteine verlegt.

Kurt Klein, Astor, Denkmal, Walldorf
Kurt Klein 1937 in Walldorf vor dem Denkmal für Johan Jakob Astor, einem gebürtigen Walldorfer.

Briefwechsel mit den Eltern

1938, ein Jahr nach Kurt, gelang es auch Max, dem älteren Bruder, noch die USA zu erreichen. Die Geschwister unternahmen nun alles Denkbare, verrichteten etwa diverse einfache Tätigkeiten, um zunächst die notwendigen Geldmittel zu erarbeiten, die für die Ausreise der Eltern zur Verfügung stehen mußten, bis sich mit dem 9. November 1938, der Reichspogromnacht, die Situation für die Juden in Deutschland massiv verschlechterte und vor allem die Ausreise bzw. Flucht immer schwieriger wurde. Bis zum August 1942 schrieben sich Eltern und Kinder Hunderte von Briefen. In den späten Achtzigern des letzten Jahrhunderts begann Kurt Klein, die Briefe seiner Eltern ins Englische zu übersetzen.

Etliche dieser Briefe befinden sich seit langem auf einer PBS Internet-Seite. (PBS steht für Public Broadcasting Services).

Walldorf

November 14, 1938

Dear Kurt,

Today we want to supplement the brief postcards we sent last Saturday to repeat that, thank God, we are well and lively and — something that is the cause of our greatest gratitude– Father is back [after being jailed on Kristallnacht] and has taken up his current activities again. The one thing we are once more urgently asking today is that our American relatives do something for us after all….

In case we can’t have our own apartment over there, then we’ll simply find work. That wouldn’t be too difficult, even if it means minimum rations. I’m sorry to have to write you in that vein today, but I’m still too upset. And I ask you dear Kurt, not to get excited over this; after all, there’ll be another day which, God willing, will dawn soon.

[Much of the rest of the letter details the departure plans of friends and relatives who had managed to find a way of leaving Germany.]

Mother

Quelle: PBS AMERICAN EXPIERIENCE (link öffnet in neuem Fenster)

Deportation der Eltern nach Gurs

1940 Herbst — Nachdem er mehrere Wochen lang nichts von seinen Eltern gehört hat, erfährt Kurt von Schweizer Verwandten, dass seine Eltern Alice und Ludwig kurz zuvor – am 22. Oktober – ins unbesetzte Frankreich deportiert worden sind. Sie werden in getrennten Baracken in einem Internierungslager namens Gurs nördlich der Pyrenäen untergebracht. Die Eltern arbeiten das ganze Jahr 1941 über hart daran, die Papiere zu erhalten, die sie benötigen, um in die USA auszuwandern. Um ein amerikanisches Visum zu erhalten, müssen die Kleins zusätzlich zu den eidesstattlichen Unterstützungserklärungen einen Nachweis über die Passage nach Amerika haben. Im Jahr 1941 buchten sie dreimal ihre Passage. Jedes Mal gelingt es nicht, ihr Visum vor der Abfahrt des Schiffes zu erhalten.

Gurs, Lager
Foto: Claude Truong-Ngoc (link öffnet in neuem Fenster)

Camp de Gurs, Basses Pyrenées
Ilot E, Baraque 26
15 November, 1940

Dear Children,

In reply to your cable of Nov. 10, I answered today, as follows: [In French] „ask Consulate in Stuttgart to send affidavits to Marseilles.“

Because we no longer can write to Germany, I am asking that you do it for us. The Jewish Aid Society has initiated its activities here, however nothing will move that quickly and we will be glad if our case will come up by next spring, providing the authorities in the U.S. will issue the proper directives. Otherwise all will be in vain. [Perhaps a reference, among other obstacles, to the fact that their affidavits would expire by spring.]

It is to be hoped you received my letter of last week, as well as those from Mother. I have not seen the latter in about 2 weeks, but news from her reaches me almost daily…May God compensate you for all the sacrifices you are compelled to bring in our behalf…

So far I have not been able to meet Uncle Sigmund, whereas I saw Bernhard twice up to now. [Concluding phrases and wishes.]

Your Father

Quelle: PBS AMERICAN EXPIERIENCE (link öffnet in neuem Fenster)

Ermordung der Eltern

Im September 1942 werden Kurts Briefe an seine Eltern  zurückgeschickt. Der Umschlag ist frankiert mit „Zurück an den Absender, umgezogen, keine Nachsendeadresse“. Im November ermächtigt das US-Außenministerium seinen Konsul in Marseille, Ludwig und Alice Klein Einwanderungsvisa auszustellen. Die gute Nachricht kommt für die Kleins zu spät; sie wurden zehn Wochen zuvor nach Auschwitz deportiert. Vier Jahre später erhalten die Kinder der Kleins die offizielle Nachricht vom Tod ihrer Eltern in Auschwitz.

Im Juni 1942 wurde der Vater seiner zukünftigen Frau Gerda Weissmann in ein Arbeitslager deportiert, in dem er später ermordet wurde. Kurz danach wurde Gerda auch von ihrer Mutter getrennt, die vermutlich in Auschwitz umgebracht wurde. Ihr eigener Leidensweg durch mehrere Arbeitslager begann, bis sie auf Kurt Klein traf und die beiden die Parallelen ihrer Familiengeschichte entdeckten.